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Frauen und Politik: Warum machen sie es sich so schwer?

Ich bin sehr gern Stadträtin und empfinde dieses Amt als enorme Bereicherung für mein Leben. Mich gezielt stadtpolitisch einzubringen macht mir Spaß und ich habe das Gefühl etwas zu bewirken und nicht nur meckernd auf der Couch zu sitzen. Ich bin mir sicher, anderen Frauen würde es genauso gehen. Doch wenn es um ein konkretes Amt geht, dann sehe ich die Fragezeichen in ihren Augen.

Ich denke: Frauen und Politik das passt super zusammen

Als Parteivorsitzende ist es unter anderem eine Aufgabe, den Listenparteitag für die kommende Kommunalwahl im Mai 2019 vorzubereiten. Wir Grünen machen schon seit Jahren alles quotiert. Sprich: Wir haben bei Funktionen, Redelisten oder den anstehenden Kommunalwahlen immer einen „weiblichen“ Platz und einen „offenen“ Platz. Auf den offenen Platz kann sich, wie es der Name schon sagt, Männlein wie Weiblein bewerben. Allerdings werden die offenen Plätze fast immer durch Männer besetzt. Selbst für die weiblichen Plätze finde ich nur schwer Kandidatinnen. Ich verstehe nicht warum.

Es ist nicht so, dass sich Frauen nicht interessieren

An Politik, auch auf kommunaler Ebene, interessierte Frauen treffe ich häufig. Wenn ich mit ihnen ins Gespräch komme und sie für politische Arbeit begeistern will, werden mir immer die gleichen Fragen gestellt.

 

Typische Fragen von Frauen:   

  1. Wie viel Zeit muss ich mitbringen?            

  2. Um welche Themen geht es da so?        

  3. Was habe ich für eine Verantwortung?        

  4. Kann ich das überhaupt?

  5. Glauben sie, dass ich genug Ahnung davon habe?

  6. Wie vereinbaren sie das zeitlich mit ihrer Familie?

  7. Haben sie da noch genug Zeit für ihre Kinder?

 

Und das sind meine Antworten:

1. Wie viel Zeit muss ich mitbringen?

Am Anfang ist der Aufwand schon wie bei einer halben Stelle. Doch schnell arbeitet man sich ein. Heute sind es vielleicht 12 Stunden pro Woche. Da müssen Mails gelesen und beantwortet werden – was auch von zu Hause aus geht. Es werden Vorlagen diskutiert, Gespräche und Termine mit Vereinen, Interessengruppen, BürgerInnen wahrgenommen sowie an Sitzungen teilgenommen.

2. Um welche Themen geht es da so?

Die kommunalen Aufgaben sind vielfältig und reichen vom Bau von Schulen und Kitas, über die Unterstützung von Sport-, Kunst- und anderen Vereinen. Es geht aber auch um Beratungsstellen für Familien und / oder Drogensüchtige. Kinder und Jugendliche und deren Förderung sind ebenso Thema wie die Strom- und Wasserversorgung.

3. Was habe ich für eine Verantwortung?

Es geht um die Stadt und deren Entwicklung. Manchmal müssen wir über enorm hohe Summen abstimmen. Zudem stellen wir die Weichen für die kommenden 20 bis 50 Jahre. Doch es sind auch viele kleinere Projekte darunter.

Die Verantwortung richtet sich außerdem danach, in welchen Ausschüssen man tätig ist. So hat man dann beispielsweise noch die Verantwortung für städtische Unternehmen, wenn man etwa in deren Aufsichtsrat sitzt.

4. Kann ich das überhaupt?

Klar, jede, die neugierig ist, die sich in Sachverhalte einarbeiten kann, die sich einmischen möchte, die gemeinsam mit den anderen Stadträten*innen, aber vor allem gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern die Stadt voranbringen möchte, kann das.

5. Glauben Sie, dass ich genug Ahnung davon habe?

Es gibt doch viele ExpertInnen in unterschiedlichen Bereichen und jede wächst doch immer mit ihren Aufgaben.

6. Wie vereinbaren sie das zeitlich mit ihrer Familie?

Familiär läuft alles gut, wenn alle mitmachen und alle aufeinander Rücksicht nehmen. Einkaufen, Kinderbetreuung und Haushalt gilt es, auf mehrere Schultern zu verteilen. Auch erfahren wir als Familie Unterstützung durch Eltern und Schwiegereltern, aber das ist ja auch bei Familien so, in denen die Mutter kein politisches Amt hat.

7. Haben sie da noch genug Zeit für ihre Kinder?

Fakt ist, je älter die Kinder sind, desto mehr Zeit brauchen sie für sich. Die nutzen sie für ihre eigenen Belange und für die Familie, denn für die sollten sie ebenfalls Verantwortung übernehmen. Was eventuell manchmal zu kurz kommt, ist die Zeit für Freunde oder Sport. Hier muss ich doch gelegentlich Abstriche machen.

Habe ich die Fragen beantwortet, dann sehe ich noch immer Skepsis oder zumindest Fragezeichen in ihren Augen. Ich frage also nach.

Beim Nachfragen kommen oft die gleichen Bedenken

Die meisten Frauen sagen, dass sie noch nicht wissen, was in zwei, drei Jahren ist. Sie wollen vielleicht noch ein Kind. Manche sprechen auch von einem Jobwechsel, einer Weiterbildung oder Ähnlichem. Auf jeden Fall wollen sie sich nicht für die nächsten fünf Jahre an ein Amt binden. Häufig höre ich, dass sie die Zeit doch lieber mit ihren Freunden, Kindern und ihrem Mann verbringen wollen.

Spätestens dann frage ich mich: Bin ich keine gute Ehefrau? Keine gute Mutter?

Bin ich, weil ich Zeit dafür aufwende, mich in meiner Stadt und für deren Wohl zu engagieren keine gute Mutter oder gar eine schlechte Ehefrau? Nein, ich weiß, ich bin eine gute Ehefrau und Mutter und gleichzeitig eine gute Stadträtin. Zumal mich meine Familie bei meiner politischen Arbeit unterstützt und das uns wieder näher zusammenbringt. Auch merke ich, wie meine Kinder stolz auf mich sind.

Männern und Sehnsucht nach Familie?

Komischerweise habe ich keine Probleme, Kandidaten für die offenen Plätze zu finden. Ich rede hier bewusst von Kandidaten. Gespräche mit den Männern, die sich zur Wahl stellen wollen, sind in der Regel ziemlich kurz. Da kommt eigentlich nur die Frage: Was muss ich da so machen?

Die Frage nach dem Zeitaufwand oder der Vereinbarung von Familie und Beruf taucht sehr selten auf. Auch wird die Sehnsucht nach der Familie kaum genannt. Und Selbstzweifel, dass Mann das Amt nicht ausfüllen könne, die ist mir, ehrlich gesagt, noch nicht begegnet.

Wollen Frauen niemanden etwas wegnehmen?

Ebenfalls habe ich den Eindruck, dass Frauen niemanden etwas wegnehmen wollen. Sie glauben, es könnte jemanden Besseren geben. Deshalb kandidieren sie lieber auf den hinteren Plätzen, um vielleicht in ein paar Jahren nach zurücken.

Männer kennen dieses Problem wiederum nicht oder sie sagen es nicht. Sie glauben nicht, dass es jemanden Besseren gibt.

Grüne Frauen

Bei den Grünen in Halle hatten wir auf Stadtebene 2 Jahre lang zwei weibliche Vorsitzende. Nun haben wir auf Landesebene 2 weibliche Vorsitzende. Wir zeigen also, dass es bei uns die Frauen sehr gut schaffen. Es gibt in unserer Partei zahlreiche weibliche Vorbilder, die doch Mut und Lust auf Politik machen sollten.